Potentiale der Erdbeobachtung vor dem Hintergrund des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf kalte Regionen

Früher gab es mehr Schnee
GIZ-Vortrag zur Satelliten-Fernerkundung der Schneebedeckung

Mindestens einen halben Meter Schnee von November bis April - wer kennt nicht die landläufige Meinung, dass die Winter früher länger, härter und schneereicher waren als heute. Ist das nur eine verklärendes Bild von Winterromantik aus Erinnerungen an die gute alte Zeit, oder läßt sich so eine Aussage auch wissenschaftlich untermauern? Passiert das nur bei uns oder ist das ein globales Phänomen? Kann man die Änderungen auch quantifizieren? Antworten auf diese Fragen lieferte Dr. Andreas Dietz von Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen in seinem Vortrag "Potentiale der Erdbeobachtung vor dem Hintergrund des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf kalte Regionen", der am vergangenen Donnerstag auf dem Geodätischen Observatorium in Wettzell stattfand.

Dietz, der die Gruppe "Polare und kalte Regionen" des Deutschen Fernerkundungs-Datenzentrums leitet, erforscht mit seinem Team auf der Basis von Satellitendaten die Ausdehnung und Entwicklung von Schneeflächen, Inlandeis, Meer- und Schelfeis sowie Permafrostböden vor dem Hintergrund des Klimawandels. Dabei sind schon die nackten Zahlen beeindruckend: 50 Millionen Quadratkilometer sind im Winter der Nordhemispäre schneebedeckt, und darin werden 7,5 Billionen Kubikmeter Wasser gespeichert. Auch die Tatsache, daß die Trinkwasserversorgung von vielen Millionen Menschen aus Schnee- und Eisflächen gespeist wird, unterstreicht die Bedeutung der Schneeregionen. Schnee spielt auch eine wichtige Rolle beim Klimawandel: die schneefreie Landoberfläche absorbiert das sechsfache der Sonnenenergie, was die Erderwärmung weiter anheizt, wodurch auch wieder mehr Schnee schmiltz - ein Teufelskreis.

Für die Satelliten-Fernerkundung gibt es dabei verschiedene Sensoren. Bereits seit Ende der siebziger Jahre wird mit optischen Sensoren im sichtbaren Spektrum gearbeitet. In den 2000er Jahren kommen verstärkt Multispektralsensoren zum Einsatz, die z.B. auch den Infrarotbereich abdecken. Das hat z.B. den Vorteil, dass Wolken, die im sichtbaren Licht von Schnee nicht zu unterscheiden sind, im Infrarotbereich eine deutlich höhere Reflektion aufweisen als Schee und damit unterscheidbar sind. Daneben kommen auch passive Mikrowellenverfahren, bei denen die Strahlungstemperatur der Erdoberfläche gemessen wird, sowie Radartechniken, wie sie beim DLR-eigenen Satellitenpaar TerraSAR/TanDEM-X angewandt werden, zum Einsatz. Aus diesen verschiedenen Daten werden im Team von Andreas Dietz durch Kombination, Interpolation und Filterung Schneebedeckungsmodelle erstellt, die keine Lücken mehr aufweisen, die z.B. auf Wolkenbedeckung, Waldflächen oder Polarnächte zurückzuführen sind.

Die Änderungen mit der Zeit können nun sichtbar gemacht werden, indem man die Schneebedeckung für ein aktuelles Jahr mit dem langjährigen Mittel vergleicht und die Differenzen z.B. in einer Karte darstellt. Die Verteilung der Zu- oder Abnahme der Schneebedeckung ist mitunter nicht einheitlich. Das hängt zum einen mit der aktuellen Wettersituation zusammen, zum anderen spielt die Höhenlage eine wichtige Rolle. So zeigt sich in den Alpen in den Jahren 2000 bis 2017 eine negative Tendenz in niederen bis mittleren Höhen, wo die Zahl der frostfreien Tage zunimmt, aber eine positive Tendenz in Hochlagen mit Dauerfrost über das gesamte Jahr. Hier macht sich die Zunahme des Niederschlags als Folge des Klimawandels bemerkbar.

Während wir in dem Zusammenhang eher an den ins Wasser gefallenen Skiurlaub denken, haben diese Entwicklungen in anderen Regionen existenzielle Konsequenzen. In den Gebirgsregionen Zentralasiens, wo die Wasserversorgung im Wesentlichen auf schmelzwassergespeisten Flüssen beruht, wird Wasser immer knapper. Der weitgehend ausgetrocknete Aral-See ist ein trauriges Beispiel hierfür. Aber auch regionale Konflikte sind oft auf den Mangel an Wasser bzw. seine ungerechte Verteilung zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund ist die Satelliten-Fernerkundung ein sehr wichtiges Werkzeug, die Veränderungen durch den Klimawandel frühzeitig zu erkennen und zu quantifizieren. Sie schaffen damit die Grundlage für wichtige politische Weichenstellungen. Und die Satelliten beweisen: Zumindest in den Mittelgebirgen und den mittleren Alpenlagen hatte Großmutter Recht: Der Schnee wird weniger.

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