Vorträge 2014


Dr. Rupert Hochleitner, 17. Juli 2014

Kristalle. Wunderwelt und Forschungsfeld

Faszinierende Wunderwelten aus Gitterstrukturen
GIZ-Vortrag über Kristalle zum UNESCO Jahr der Kristallographie

Wir alle bewundern, bestaunen und nutzen sie. Sie tragen unaussprechliche Namen, wie Hydroxylapatit, Rhodochrosit, Triphylin, Kalziumsilikathydrat oder sind für jedermann bekannt, wie Diamant, Smaragd oder Turmalin. Ob als glitzernder Hochkaräter auf dem Verlobungsring, als temperaturstabile Glaskeramik im Ceranfeld in der Küche, als Knochenersatz in der Kieferchirurgie, als Baustoff in der Architektur oder als Grundlage in Batterien und Solarpaneelen, täglich kommen wir mit Kristallen in Berührung und doch bleiben den meisten von uns ihre Geheimnisse verborgen. Anders geht es hier Dr. Rupert Hochleitner, stellvertretender Direktor der Mineralogischen Staatssammlung München. Seine Kollegen und er betreiben Kristallographie, also die Wissenschaft von den Kristallen. Dabei wollen sie nicht nur besonders schöne Exemplare zeigen oder deren Strukturen und Eigenschaften analysieren, sondern im Besonderen kristalline Eigenheiten für die Nutzung erforschen. Dass die Kristallographie schon immer bedeutsame wissenschaftliche Errungenschaften vorzuweisen hat, zeigt sich an den dreiundzwanzig Nobelpreisen. Sie ist ein Nährboden für neue und vielversprechende Grundlagenforschung, wie es auch zum internationalen UNESCO Jahr heißt. Von diesen Errungenschaften berichtete der letzte GIZ-Vortrag dieses Halbjahres am vergangenen Donnerstag von Dr. Hochleitner mit dem Titel „Kristalle – Wunderwelt und Forschungsfeld“.

Kristalle faszinieren schon seit jeher. So versuchte Plinius Secundus  im ersten Jahrhundert bereits die Entstehung dieser glitzernden Edelsteine zu erfassen und dachte, dass sie aus einer Verdichtung von Eis aus Winterschnee unter tiefer Kälte zustande kämen. Diese Ansichten hielten sich lange bis ins 17. und 18. Jahrhundert, konnte man ja das Wesen der Kristalle nur durch anschauen und erfühlen erkunden. Erst mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen Ende des 19. Jahrhunderts, tat sich eine neue Analysemethode auf. Da man bereits vermutete, dass Kristalle aus einer regelmäßigen Gitterstruktur aufgebaut sind, galt es nun, diese Struktur zu beweisen. Durch die Durchstrahlung gelang es Walter Friedrich und Paul Knipping im Jahr 1912 die Theorie des Max von Laue zu beweisen, dass auf Fotoplatten durch Beugung der Röntgenstrahlung an den Strukturen im Einkristall regelmäßige, punktförmige Reflexmuster belichtet werden. Für diese Theorie zur Erzeugung der später nach ihm als Laue-Diagramme bezeichneten Strukturbilder erhielt er zwei Jahre später den Nobelpreis.

Damit stand der weiteren Analyse nichts mehr im Wege. Mit verbesserter Technik wurden auch die Modelle von den Kristallen immer detaillierter. Man begann nicht nur über ihre Eigenschaften nachzudenken, sondern auch ihre Entstehungsgeschichte zu erforschen, um sie in gleicher oder ähnlicher Form künstlich für industrielle Zwecke nachzubauen. Dabei sind die entscheidenden Faktoren Druck, Temperatur und die geeigneten Zusatzstoffe, die sogenannten „Lösungsgenossen“. Gibt man zum Beispiel Kochsalz bei der Kristallbildung etwas Harnstoff bei, so bilden sich nicht die üblichen kubischen Kristalle, sondern Oktaeder. Gerade diese Möglichkeit zur Beeinflussung und zur Erzeugung von reinen Kristallen, dient zahlreichen Anwendungen. Denkt man nur an die Grundlage von Computerchips, für die riesige, reine Kristalle erzeugt werden müssen. Auch für die regenerative Energiespeicherung oder die Spannungsversorgung in Handys durch Lithium-Ionen-Akkus oder die Energiegewinnung mit Solarzellen sind Kristalle die Grundlage. Neue Forschungen suchen nach neuen Verbundwerkstoffen z.B. für kugelsichere Westen oder erlauben es, den Kristallen beim Wachsen zuzusehen. Nichtsdestotrotz sind sie für die meisten von uns einfach nur schön anzusehen, wie viele Bilder im Vortrag eindrucksvoll zeigten. Und welche Frau gerät nicht ins Schwärmen, wenn sie mit einem Diamant überrascht wird.

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Prof. Hanns Ruder, 29. Juni 2014

Das Planetensystem - eine Reise zu den spektakulärsten Plätzen unseres Sonnensystems

In eineinhalb Stunden durch das Sonnensystem
GIZ-Vortrag über das Sonnensystem anläßlich der Eröffnung des Planetenwegs

Gerade günstig in der lebensfreundlichen Zone gelegen, kreist einer von acht Planeten um einen Millionen Grad heißen Fusionsreaktor. Dieser Reaktor ist unsere Sonne. Der erwähnte, herausragende blaue Planet ist zu zwei Dritteln von Wasser bedeckt, beherbergt zahlreiche Lebensformen und ist unsere Erde. Nur hier, an diesem Punkt im Sonnensystem ist aktuell Leben vorhanden. Doch auch die anderen Planeten haben ihre individuellen, interessanten Eigenarten. Zusammen mit den Asteroiden, den Plutoiden und den Kometen der Oortschen Wolke bilden sie unser Sonnensystem in einem der Spiralarme unserer Milchstraße. In dieser Galaxie ist unsere Sonne nur eine von etwa 100 Milliarden Sonnen und doch ist sie für uns etwas ganz besonderes. Über all diese Aspekte berichtete Prof. Hanns Ruder am vergangenen Sonntagnachmittag in der gefüllten Linderhalle anlässlich der Eröffnung des Planetenweges von Bad Kötzting nach Wettzell. In seinem etwa eineinhalb stündigen Vortrag „Das Planetensystem - eine Reise zu den spektakulärsten Plätzen unseres Sonnensystems“ begleiteten die Zuhörer Prof. Ruder durch das komplette Sonnensystem und lauschten seinen Ausführungen über die spannenden Orte in unserer nächsten Heimat. Zum Abschluss übergab Dr. Wolfgang Schlüter im Namen des Fördervereins GIZ als Dank für die jahrelange Unterstützung des Vereins ein 3D-Bild des Saturns zusammen mit dem Hinweis, dass Prof. Ruder auch die Steele des Saturns im Planetenweg gewidmet ist.

Eigentlich lassen sich die aktuellen Fakten über unser Sonnensystem schnell zusammenfassen: Es gibt eine Sonne, die 99,87 Prozent der Masse birgt. Sie wird umkreist von acht Planeten, bei denen man bisher insgesamt 170 Monde gefunden hat. Einige Planeten, wie zum Beispiel die Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, weisen tausende Ringe auf. Beim Saturn werden diese durch die gravitative Wirkung der sogenannten „Schafhütermonde“ auf Position gehalten, so dass sie sich nicht verflüchtigen. Bis heute hat man im Sonnensystem 638546 Asteroiden entdeckt. Es gibt viele Plutoide, also Kleinplaneten jenseits des Pluto mit einem Durchmesser von bis zu 2500 Kilometer. Weiter draußen befinden sich dann Milliarden von Kometen, von denen uns manche Ausreißer auf ihren Bahnen nahe der Erde besuchen. Mit ihren durch die Sonnenwärme entstehenden Kometenschweifen sind sie nicht nur ein verlockendes Motiv für Fotografen, sondern waren oft auch mythische Zeichen. Genauso erging es oft den Asteroiden, die als Meteoroiden zahlreich auf die Erde stürzen und uns das unvergessliche Erlebnis von Sternschnuppen bescheren. Ansonsten befindet sich im Sonnensystem nur noch eine Menge Staub als interplanetares Medium.

Doch diese nüchterne Betrachtung verbirgt die Einzigartigkeit der einzelnen Planeten. Mit modernen Sonden und Orbitern lassen sich heute von den meisten Planeten die Oberfläche mit einer Auflösung von 50 Zentimetern darstellen. Der Mars ist dabei ähnlich genau kartiert wie die Erde. Aus den in historischen Büchern verklärten Kanälen der Marsbewohner sind Oberflächenstrukturen von Kratern und Canyons geworden. Rover fahren dort und liefern seit Jahren fantastische Bilder. Ähnliche entstehen auch von der Oberfläche des Erdmondes, der nun wieder ins Interesse der Forscher rückt. Mit dem Lunar Reconnaissance Orbiter werden so zum Beispiel ehemalige Landestellen und Fußspuren der Astronauten auf Fotos gebannt. Der Orbiter liefert zudem detaillierte Bilder von Kratern, von denen einige wie mit dem Locher gestanzt aussehen. Einschlagende Meteoriten haben hier Hohlräume getroffen und durchschlagen. Ähnliche Bilder stehen auch von der Venus und dem Merkur zur Verfügung. Sogar der aktivste Körper im Sonnensystem wurde entlarvt. Dabei handelt es sich um den Jupitermond Io mit seinen riesigen, durch die gravitative Wechselwirkung mit dem Jupiter am Leben gehaltenen Vulkanen. Auf einem weiteren Jupitermond, dem Ganymed, befindet sich unter einer hunderte Kilometer dicken Eiskruste ein riesiger Ozean aus Wasser und damit evtl. ein weiterer Ort für Leben im Sonnensystem. Uranus mit seiner waagerecht zur Bahn verlaufenden Drehachse und Neptun mit seinem Mond, auf dem Geysire toben, sind bislang noch wenig erforscht.

Alles in allem ist das gesamte Sonnensystem für uns einzigartig, obwohl man im Universum immer mehr extrasolarte Planetensystem entlarvt. Doch nur unser Sonnensystem ist unsere Heimat, verglichen mit den riesigen Weiten des Universums, nur ein kleines Raumschiff auf dem Weg um seinen Stern.


Prof. Ulrich Schreiber, 5. Juni 2014

Vom Ätherwind zum Laserring - 100 Jahre Sagnac-Effekt

Genauester Rotationssensor auf dem „Raumschiff Erde“
GIZ-Vortrag über Ringlaser und das Jubiläum der Entdeckung des Sagnac-Effekts

Über hundert Jahre ist es mittlerweile her, als der französische Physiker Georges Sagnac im Jahre 1913 sein erstes Interferometer baute, um damit mit überlagerten, gemischten Lichtstrahlen Rotationen zu messen. Es war eines der Experimente, das im Zuge der Beweisführung um den sogenannten Äther zum Einsatz kam. Seit dem 17. Jahrhundert suchte man nämlich nach einem Trägermedium für die Lichtwellen. Analog zu den Wellen auf dem Wasser oder zu den Druckwellen des Schalls in Luft, vermutete man auch ein Medium, das das Licht transportierte. Die Diskussion darum dauerte bis weit in das beginnende 20. Jahrhundert an. Sie bannte und beflügelte zahlreiche Wissenschaftler und ist der Grundstein für ein Messinstrument, das am Geodätischen Observatorium Wettzell mit einer weltweit einzigartigen Genauigkeit die Rotation der Erde inertial, als ohne externen Bezug, misst: der Großringlaser „G“, dem der Sagnac-Effekt zugrunde liegt. Über die Geschichte hinter diesem Effekt und die aktuell spannenden Erkenntnisse aus seinem Einsatz in Wettzell berichtete am vergangenen Donnerstag Prof. Ulrich Schreiber von der Technischen Universität München in seinem Vortrag „Vom Ätherwind zum Laserring - 100 Jahre Sagnac-Effekt“.

Schreiber zeichnete in seinem Vortrag den langen Weg nach, der bis zu den heutigen Ringlasern nötig war, die u.a. in Flugzeugen oder U-Booten als Rotations- und Lagesensoren eingesetzt werden. Hintergrund aller Experimente ist das Prinzip eines Interferometers. Dabei werde Wellen überlagert, so dass sie interferieren. Das heißt zum Beispiel im Falle von Wasserwellen, dass eine Überlagerung eines Wellenbergs und eines Wellentals bei zwei gleichgroßen Wellen zu einer kompletten Auslöschung der Welle führt. Umgekehrt summieren sich zwei überlagerte Wellenberge zu einer höheren Wasserwelle auf. Dieses Prinzip funktioniert mit jeder Art von Welle und somit auch mit Licht, das nur eine spezielle Wellenart mit spezifischen Wellenlängen im elektromagnetischen Spektrum darstellt.

Baut man nun mit Lichtstrahlen zwei rechtwinklig verlaufende Strahlenwege auf, deren Strahlen an einem Punkt überlagert werden, ergeben sich Muster, die die Auslöschung und Aufsummierung und damit die Interferenz wiederspiegeln. Betrachtet man sich das entstehende Interferogramm während man einen der Spiegel bewegt, kann man die Veränderungen mit einer Genauigkeit ableiten, die mit der Wellenlänge der eingesetzten Wellenart zusammenhängt. So kann man beispielsweise mithilfe von Licht Abstände von einem tausendstel Millimeter noch genau vermessen.

Eine solche Apparatur nutze Albert Abraham Michelson 1881und 1887 auf der Suche nach dem Äther. Er baute die Strahlenwege in Ost-West und Nord-Südrichtung auf und wollte zeigen, dass es in die Bewegungsrichtung der Erde zu Veränderungen kommt. Das Experiment, das er zusammen mit Edward Morley ausführte, wurde dadurch zu einem berühmten Versuch in der Physik, da es kein messbares Ergebnis lieferte. Auch weitere Versuche durch Lodge und eben auch durch Sagnac mit ähnlichen Fragestellungen zum Äther zeigten ebenso keine messbaren Effekte, weshalb die Äthertheorie langsam aus der Physik verschwand.

Was die Versuche aber erbracht hatten war, dass man mit einer ähnlichen, stabil aufgebauten Apparatur sehr gut die Erddrehung messen kann. Mit der Erfindung des Lasers in den 1960er Jahren konnte die Genauigkeit noch wesentlich gesteigert werden. Heutzutage geht das bis zur neunten Stelle nach dem Komma, was aber aktuell nur der Ringlaser in Wettzell schafft. Damit lassen sich Variationen messen, die nicht nur Erdrotationsschwankungen aufgrund von Massenverlagerungen zeigen, sondern die auch durch Erdbeben oder atmosphärische Anregungen der Erde bei Stürmen entstehen. Der Ringlaser ist somit als eine konsequente Weiterentwicklung der historischen Experimente mittlerweile der weltweit genaueste Inertialsensor, der Rotationsschwankungen auf unserem Raumschiff Erde protokolliert.

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Dr. Torben Schüler, 22. Mai 2014

Galileo – das europäische Satellitennavigationssystem

Der harte Weg zum eigenen Navigationssystem in Europa
GIZ-Vortrag über das Satellitennavigationssystem „Galileo“

Seit die Verkehrsminister der Europäischen Union am 26. März 2002 ihre Entscheidung zum Bau eines eigenen, europäischen Satellitennavigationssystems mit Namen „Galileo“ getroffen hatten, waren einige Höhen und Tiefen zu durchlaufen. Oft ist es dabei in die Kritik geraten, da der Aufbau des Systems den Steuerzahler statt ursprünglich 3,4 Milliarden Euro nun ca. 5 Milliarden Euro kosten wird. Zudem ist das ursprünglich gedachte Public-Private-Partnership zwischen Staat und Industrie zerbrochen, so dass die Betriebskosten von ca. einer Milliarde Euro pro Jahr ebenfalls von der EU gedeckt werden müssen. Betrachtet man diese Zahlen alleine, könnte man schnell zu dem Schluss kommen, dass jede Kritik berechtigt ist. Betrachtet man jedoch die Tatsache, dass der Bau einer Autobahntrasse von nur 150 Kilometern ebenfalls ca. drei Milliarden Euro kostet, dass aktuell in jedem Handy Empfänger für die Satellitennavigation eingebaut sind und somit vom täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind, dass fast jedes Auto mit einem GPS-Navi ausgerüstet ist, welches wegen GPS vom amerikanischen Navigationsystem abhängt, relativiert sich die Kritik schnell. Zudem Eröffnen sich aus der Kombination der verschiedenen, nationalen Navigationssystem neue Möglichkeiten und eine bessere Abdeckung.

Über diese Themen referierte am vergangenen Donnerstag Dr. Torben Schüler, Leiter des Geodätischen Observatoriums Wettzell, in seinem sehr gut besuchten Vortrag „Galileo – das europäische Satellitennavigationssystem“, der per Videoübertragung zusätzlich in einem weiteren Saal projiziert wurde. Dr. Schüler hat in seiner Zeit an der Uni der Bundeswehr in Neubiberg an dem heute genutzten Troposphärenkorrekturmodell für Galileo mitentwickelt und gab als erstes Auskunft, warum Galileo wichtig ist. Dabei soll die Abhängigkeit von GPS und damit unter anderem vom amerikanischen Militär verringert werden, da Galileo unter ziviler Kontrolle in Europa betrieben wird. Es wird nachweislich eine höhere, technische Genauigkeit haben, was sich im Betrieb noch beweisen muss, da Ionos- und Troposphäreneffekte hier das Signal wieder beeinflussen können. Es garantiert einen kontinuierlichen Dienst ohne künstliche Verschlechterung in Kriegs- und Krisenzeiten und ermöglicht zusätzliche Rettungsrufe mit Positionierung und Quittierung. Kostenpflichtige Mehrwertdienste sollen Einnahmen erwirtschaften und mittels der Förderung eigener Hochtechnologien könnten bis zu 140000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Davon profitiert Deutschland schon jetzt, da nicht nur eines der Kontrollzentren hier in Oberpfaffenhofen gebaut wurde, sondern auch die Satelliten von der Firma OHB System in Bremen gefertigt werden. Im Endausbau werden bis zu 30 solcher Satelliten in einer Höhe von 23616 Kilometern auf sechs Bahnebenen mit 56 Grad Bahnneigung um die Erde kreisen. Das Prinzip ist dabei ähnlich zu GPS. Für eine Positionsbestimmung werden die Signale von mindestens vier Satelliten genutzt, um die dreidimensionale Position über die Laufzeiten der Signale zwischen den Satelliten und dem eigenen Standort  zu ermitteln. Der vierte Satellit ermöglicht in diesem Prozess die Uhrenschätzung, da die Uhren in den Satelliten und im Empfänger nicht absolut synchron laufen. Als Zeitgeber nutzt man in den Satelliten Rubidium-Atomuhren und eigens entwickelte, passive Wasserstoffmaser.

Bis spätestens 2015 soll dann Galileo mit einer ersten, komplett funktionsfähigen Konfiguration von serienreifen Satelliten die ersten Dienste bereitstellen, nachdem aktuell die schon genutzten Testsatelliten der In-Orbit Validation an ihrem Platz auf den Umlaufbahnen kreisen. Bis spätestens 2020 könnte man so die voll ausgebauten Dienste erwarten, die wegen einer gleichen Frequenz zu GPS auch in handelsüblichen Empfängern gut kombinierbar sind. Schon jetzt zeigen erste Ergebnisse vom März 2013, dass man mit Galileo eine eigenständige Positionsbestimmung mit einer Genauigkeit von wenigen Metern erreicht.

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Dr. Tilo Schöne, 10. April 2014

Tsunami-Frühwarnung -  Geodäsie in der Verantwortung

In fünf Minuten über Leben und Tod entscheiden
GIZ-Vortrag über den Aufbau des indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems

Alles begann mit einem Erdbeben, ausgelöst durch die Verschiebung einer tektonischen Platte. Das Beben löste eine kleine Wasserwelle aus, die sich fast unauffällig über das Meer ausbreitete. Kurz darauf zog sich das Meer vom Strand zurück, nur um innerhalb von Minuten mit einer enormen Welle das Land zu überfluten. Doch noch einmal ging das Wasser zurück und nahm Material vom Land mit sich, um dann mit brachialer Gewalt, einer Wellenfront von 15 Metern Höhe und angereichert mit tödlichem Treibgut über das Küstengebiet hereinzubrechen und alles zu zerstören. Nach den Aufräumarbeiten war schnell klar, dass dieser Tsunami nach dem Sumatra-Erdbeben der Stärke 9,3 an Weihnachten 2004 in Indonesien, Thailand, Sri Lanka und Indien nicht nur ganze Landstriche verwüstet hatte, sondern auch 230.000 Menschen mit in den Tod riss. Die Welle traf die Menschen völlig unvorbereitet. Dies war der Auslöser für ein 50 Millionen Euro teures Projekt, dem indonesischen Tsunamifrühwarnsystem des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) aus Deutschland, um vor zukünftigen Tsunamis besser warnen zu können. In den letzten 10 Jahren wurde es aufgebaut und stetig verbessert, worüber Dr. Tilo Schöne vom GFZ Potsdam am vergangenen Donnerstag in seinem GIZ-Vortrag „Tsunami-Frühwarnsystem: Geodäsie in der Verantwortung“ berichtete.

Dabei sind Tsunamis nicht so selten, wie man vermuten könnte. Sie können nach Seebeben, Vulkanausbrüchen, Hangrutschen, Meteoriteneinschlägen oder auch meteorologischen Phänomenen auftreten. Eine Karte mit Gefährdungsgebieten zeigte im Vortrag eindrucksvoll, dass davor auch der Mittelmeerraum nicht sicher ist. Besonders gefährdet sind aber Küstenabschnitte, die nahe einer Subduktionszone liegen. Dort bewegt sich die tektonische Ozeanplatte unter eine andere Platte. Es kommt zu Spannungen, die sich bei genügend Druck plötzlich und mit viel Energie entladen. Geschieht dies unter Wasser, kann eine Welle ausgelöst werden, die in Küstennähe dann zur sogenannten „Hafenwelle“ wird, dem deutschen Wort für Tsunami. Ähnliches, wenn auch nicht so Verheerendes geschah erst vor etwa einer Woche an der Küste vor Chile, wo eine Abschnitt im Meeresboden um etwa 30 Zentimeter absackte.

Für eine rechtzeitige Warnung kommt es dabei darauf an, ob man sich im Nah- oder Fernfeld einer solchen Welle befindet. Während die Auswirkungen über Ozeandistanzen massiv abnehmen und auch genügend Zeit von mehreren Stunden bleibt, ist es im Nahfeld wesentlich kritischer. Es bleiben nur etwa fünf Minuten Zeit, aus möglichen Beobachtungen eine Warnung abzuleiten. Zudem ist die zerstörerische Kraft im Nahfeld umso stärker.

Diese Punkte treffen auf das Katastrophengebiet von 2004 zu. Ein Warnsystem muss deshalb innerhalb dieser fünf Minuten für die Behörden eine Entscheidungsfindung unterstützen. Dazu laufen Daten von 150 seismologischen Messstationen und zahlreichen, permanent installierten GPS-Stationen zusammen mit Pegelmessungen und Unterwasserdrucksensoren in einem Frühwarnzentrum in Jakarta zusammen, wo ein Decision Support System die eingehenden Werte mit Millionen von simulierten Szenarien vergleicht und die Situation einstuft. Innerhalb von nur wenigen Minuten lassen sich so erste Schätzungen und Prognosen abgeben, so dass Warnungen ausgesprochen werden können. Diese werden über Sirenen, Lautsprecher, Fernseher und Sprechfunk verteilt. Trotz all dieser Technik ist die Tsunamiwarnung aber dennoch nur dann wirksam, wenn auch die Menschen vor Ort richtig handeln. Somit ist ein ganz wesentlicher Punkt zum Schutz vor Tsunamis das regelmäßige Training bei Evakuierungsübungen.

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Prof. Matthias Becker, 27. März 2014

GPS – mehr als ein Navigationssystem

Mit GPS dem Gras beim Wachsen zusehen
GIZ-Vortrag zeigt, wozu Satellitennavigationssysteme heute bereits in der Lage sind

Wenn man von GPS spricht, denken die meisten an ein kleines Display im Auto, das einem den Weg weist. Dabei haben das Globale Positionierungssystem GPS und seine Mitstreiter weit mehr zu bieten als reine Navigation mit Genauigkeiten im Meterbereich. In der globalen Erdvermessung hat man den Millimeter bereits unterschritten. So werden sogar Verschiebungsvorgänge sichtbar, die während eines Erdbebens stattfinden. Besonders deutlich wurde dies beim letzten großen Beben in Japan 2011, wo über 2500 in Japan fest installierte Empfänger sogar das Ausbreiten der Erdbebenwelle sichtbar machten und anschließend die bleibenden Deformationen von bis zu vier Metern aufzeigten. Doch während in der klassischen Nutzung zahlreiche Einflussfaktoren, wie zum Beispiel die Beschaffenheit von Ionosphäre und Troposphäre oder Mehrwegeeffekte am Boden, das Signal und damit die Positionierung verschlechtern, machen sich neue Auswerteverfahren gerade diese „Schmutzeffekte“ zu nutze. Sie leiten daraus Bodenbeschaffenheiten, Meeresspiegeländerungen, Schneebedeckungen oder Bewuchsänderungen ab. Es ergeben sich komplett neue Forschungsfelder, worüber am vergangenen Donnerstag Prof. Matthias Becker von der TU Darmstadt in seinem Vortrag „GNSS - mehr als ein Navigationssystem“ in Wettzell referierte. Der Auftakt der neuen GIZ-Vortragsreihe füllte dabei wieder den kompletten Sitzungssaal des Geodätischen Observatoriums Wettzell.

GNSS fasst als Begriff für alle Globalen Satellitennavigationssysteme die verschiedenen Systeme aus den USA mit GPS, Europa mit Galileo, Russland mit Glonass und China mit Beidou zusammen. Mit ihren verschiedenen Frequenzen, die sich unterschiedlich in der Atmosphäre ausbreiten, lassen sich heutzutage Störungen in der Atmosphäre dokumentieren, wie sie zum Beispiel durch Änderungen des Elektronengehalts bei starken Sonnenwinden vorkommen. Mit derselben Technik lassen sich auch Regen- und Niederschlagsmodelle verbessern, da auch der Wasserdampfgehalt der Luft über GNSS sichtbar wird. Solche Daten finden bereits Eingang in die Wettervorhersagemodelle. Neben den bodengestützten Systemen kann man hierzu auch niedrig fliegende Satelliten verwenden, die für ihre Bahnbestimmung selbst GNSS nutzen. Werfen sie einen Blick auf niedrigstehende GNSS-Satelliten, durchdringen deren Signale große Teile der Atmosphäre und liefern Aussagen über deren Bestandteile, wie zum Beispiel Aerosole. Neuartig geplante, niedrig fliegende Minisatelliten sollen mit dieser Technik eine Art Tomographie der Erdatmosphäre ermöglichen.

Ein weiteres Verfahren ergibt sich aus der sogenannten GNSS Reflektometrie, einer Art Fernerkundung der Erdoberfläche, die rein auf die Ausbreitung und Reflektion der GNSS Signale auf der Erde aufbaut. Dazu wird das Signal der Satelliten direkt und als Reflektion vom Erdboden aufgenommen und miteinander korreliert. Aus Frequenz-, Signalstärke- und Phasenänderungen der über die verschiedenen Wege zum Beispiel in einem Flugzeug empfangenen Trägerwellensignale lässt sich damit auf Meereshöhen, Bodenfeuchte, Schneehöhen und sogar auf Meereswellenausbreitungen und Windrichtungen rückschließen. In den USA wurde dazu bereits ein flächendeckendes Netzwerk aus Empfangsstationen etabliert. Es ist in das globale Bezugssystem eingebunden und liefert so global vergleichbare Ergebnisse. Die Stationen erlauben sogar Auskünfte über den Pflanzenbewuchs um den Empfänger herum, da dieser ebenfalls das Signal verändert. So kann man quasi mit GNSS dem Mais, dem Getreide oder dem Gras beim Wachsen zusehen.

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