Die Forschungsstation O’Higgins: Leben und Arbeiten in der Antarktis


Leben und Arbeiten in der Antarktis

Die Forschungsstation O'Higgins

 

Am Observatorium Wettzell wird man of gefragt, wieso sich gerade dort eine der weltweit wichtigsten Messstationen der Geodäsie befindet. Aber wieso führen die dortigen Mitarbeiter/-innen solche Messungen auch an einem der abgelegensten und unwirtlichsten Orten der Welt durch, nämlich in der Antarktis? In einem Vortrag von Johann Theodeor Bachem am 15. März im Sitzungssaal des Observatoriums wurde unter anderem auch diese Frage beantwortet. Daneben berichtete Bachem auch von zahlreichen persönliche Erlebnissen von einem Ort, wohin nur wenige Menschen gelangen.

Theodor Bachem, der als Elektrotechniker seit 2016 für das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) am geodätischen Observatorium in Wettzell arbeitet, reiste bereits fünf Mal zu dieser Station, der "German Antarctic Research Station" (GARS) O’Higgins, um deren reibungslosen Betrieb sicher zu stellen. Diese eigentlich chilenische Antarktisstation Bernardo O’Higgins, deren deutscher Anteil gemeinsam vom BKG und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben wird, befindet sich am äußersten nördlichen Ausläufer des Kontinents Antarktika auf etwa 63 Grad südlicher Breite. Zum Vergleich: ebenfalls auf 63 Grad, aber im Norden, befindet sich z.B. die norwegische Stadt Trondheim. Trotz des relativ polfernen Standortes liegt die Station noch auf der antarktischen Kontinentalplatte, deren Bewegung auf der Erdoberfläche durch die dortigen Geräte präzise vermessen wird. Aber vor allen für eine genaue Bestimmung der Erdrotation und Erdorientierung - ein wichtiges Produkt der Geodäten - ist eine gute globale Abdeckung mit Messstationen erforderlich. Deshalb sind in der Antarktis auch zwei Radioteleskope in Betrieb, neben O'Higgins auch auf der japanischen Station Syowa.

Daneben wird das Radioteleskop in O’Higgins auch vom DLR zum Datenempfang von Satelliten verwendet, die sich gerade über dem Südpol aufhalten. Eine positive Folge des relativ nördlichen Standortes ist das vergleichsweise milde Klima. Im antarktischen Sommer, von Oktober bis März, liegen die Temperaturen meist knapp über null Grad. Wirklich gemütlich ist es jedoch trotzdem nur selten, da es fast immer sehr windig ist. Windgeschwindigkeiten über 100 km/h werden, insbesondere im Winter, an mehreren dutzenden Tagen im Jahr erreicht und können teilweise Werte von über 200 km/h erreichen.

Nicht nur die Bedingungen vor Ort können fordernd sein, bereits die Anreise zur Antarktisstation gleicht einem kleinen Abenteuer. Bis zur chilenischen Stadt Punta Arenas, die Ausgangspunkt für viele Antarktisexpeditionen ist, verläuft die Reise noch recht bequem per Linienflugzeug. Nachdem dort die letzte Ausrüstung in Form von einigen Lebensmittel angeschafft wurde, beginnt jedoch der beschwerliche Teil der Reise. Von Punta Arenas aus gilt es die letzte Zwischenstation ca. 150 Kilometer vor dem antarktischen Festland zu erreichen: King George Island. Aufgrund der benötigten Frachtmenge kann letztlich nur auf zwei Wegen dorthin gelangen, entweder als Mitreisender in einem Transportflugzeug oder in einem Schiff des chilenischen Militärs. In beiden Fällen ist nicht nur das Maß an Komfort überschaubar, sondern der Zeitpunkt der Abreise sehr stark abhängig von den Wetterbedingungen und entsprechend kaum planbar. Angekommen in der Basis auf King George Island heißt es dann zumeist Warten. Für den letzten Abschnitt der Anreise, per Hubschrauber, Kleinflugzeug oder Versorgungsschiff, ist gutes Wetter ebenso unabdingbar. So kann es im schlechtesten Fall sein – wie unlängst einigen Kollegen Bachems ergangen – dass die Techniker und Wissenschaftler hier mehrere Wochen in einer Baracke ausharren und sich permanent zur Weiterreise bereit halten müssen.

Endlich auf der Station O’Higgins angekommen beginnt die eigentliche Arbeit. Zwar können die Messsysteme inzwischen von Deutschland aus gesteuert werden, aber zumindest einmal im Jahr müssen sie gewartet, in Stand gesetzt und zuweilen auch ausgetauscht werden. Natürlich ist es für den einzelnen Menschen bei so vielen verschiedenen, teils hochkomplizierten Geräten kaum möglich, sie bei jedem Defekt so ohne weiteres zu reparieren. Daher muss sich Bachem für die Behebung von Fehlern oft mit den Herstellern oder auch den Kollegen in Wettzell in Verbindung setzen, um gemeinsam Fehler zu ermitteln und Schritt für Schritt zu beheben.

In der wenigen Freizeit, die den Mitarbeitern in der Antarktis bleibt, haben sie in der Wohnküche die Möglichkeit Musik zu hören, mitgebrachte Filme anzuschauen oder einfach mit den Kollegen gesellig beim selbst gekochten Abendessen zusammen zu sitzen. Hin und wieder erhalten sie Einladungen oder Besuch der unmittelbar benachbarten chilenischen Forschungstation oder seltener auch von anderen Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Außerdem gibt es noch ganz besondere Nachbarn auf der Schmidt-Halbinsel. Hunderte von Pinguinen, hauptsächlich Eselspinguine, halten sich während der Sommermonate dort auf. Zwar muss jeder Forscher der die Antarktis bereist an einer Schulung zum Schutz der empfindlichen Ökosysteme teilnemen, wo auch gelehrt wird, sich den Pinguinen nicht zu nähern. Allerdings scheine man vergessen zu haben, dies auch den Pinguinen beizubringen. Insbesondere die jugendlichen Exemplare zeigen keinerlei Scheu vor Menschen und watscheln neugierig überall auf dem Stationsgelände herum. Und so gehören neben dem Brummen der Stromgeneratoren auch die Schreie der Pinguine zum Alltag auf einer Antarktisstation.

 

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